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Auslieferung mutmaßlichen ETA-Mitglieds an Frankreich zulässig

Datum: 17.11.2015

Kurzbeschreibung: 

Der für Auslieferungssachen zuständige 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat entschieden, dass ein mutmaßliches Mitglied der spanischen Terrororganisation ETA an Frankreich überstellt werden darf.

Frankreich begehrt die Auslieferung des 52 Jahre alten spanischen Staatsangehörigen auf der Grundlage von vier in Abwesenheit ergangenen Verurteilungen, durch die der Verfolgte zu insgesamt 17 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Gegenstand dieser Verurteilungen ist der Vorwurf der Mitgliedschaft in der ETA zwischen 2000 und 2004, wobei dem Verfolgten auf französischem Staatsgebiet innerhalb der ETA die Aufgabe des Verantwortlichen des logistischen Arms für die elektronische Ausrüstung - auch zur Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen - und die Fälschung von Dokumenten zugekommen sein soll. Bei der Festnahme des Verfolgten aufgrund in Frankreich ausgestellter Europäischer Haftbefehle am 31.10.2014 in Freiburg, wo der Verfolgte seit 2001 unter falschem Namen lebte, wurden in seiner Wohnung zahlreiche Fälschungsutensilien, u.a. Stempel und Dokumentenvorlagen, sichergestellt.

Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hatte der 1. Strafsenat über die rechtliche Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden und eine rechtliche Prüfung der von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe beabsichtigten Bewilligung der Überstellung nach Frankreich zu entscheiden.

Nach der dabei vorgenommenen Bewertung genügen die Auslieferungsersuchen in Gestalt von vier Europäischen Haftbefehlen in Verbindung mit weiteren im Lauf des Verfahrens vorgelegten Unterlagen den formellen und materiellen Anforderungen, die daran nach den Vorschriften des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) zu stellen sind. Entsprechend der im Auslieferungsrecht geltenden Grundsätze hat der Senat nicht geprüft, ob der von den französischen Behörden erhobene Tatvorwurf zutrifft. Auf der Grundlage einer europarechtlichen Regelung, wonach u.a. bei Terrorismus die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit entfällt, hatte der Senat zudem nicht zu beurteilen, ob die dem Verfolgten vorgeworfenen Taten auch nach deutschem Recht strafbar sind.

Vom Verfolgten erhobene Einwendungen hat der Senat nicht als durchgreifend erachtet. Nach eigener Prüfung ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verfolgte, der Sohn einer deutschen Staatsangehörigen ist, selbst nicht die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt hat. Dem Umstand, dass die Verurteilungen in Frankreich in Abwesenheit des Verfolgten ergingen, wurde dadurch Rechnung getragen, dass die Auslieferung - gemäß von den französischen Behörden abgegebener Zusicherungen - an die Bedingung geknüpft ist, dass der Verfolgte nach seiner Überstellung das Recht auf neue Gerichtsverfahren erhält und dabei eine Strafe von nicht mehr als zehn Jahren verhängt werden darf.

Hinsichtlich der abschließend von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe zu treffenden Entscheidung über die Bewilligung der Auslieferung steht ein in Deutschland eingeleitetes Ermittlungsverfahren, das die Generalbundesanwaltschaft im Hinblick auf die Verfolgung in Frankreich einzustellen beabsichtigt, einer Überstellung nicht entgegen, da der Durchführung des Strafverfahrens in Frankreich, auf dessen Staatsgebiet die Taten im Wesentlichen begangen wurden und wo sich die maßgeblichen Beweismittel  befinden, Vorrang zukommt. Im Hinblick auf die sozialen Bindungen des Verfolgten in Deutschland muss die Überstellung nach Frankreich jedoch mit dem Vorbehalt verbunden werden, dass der Verfolgte nach Beendigung des Strafverfahrens in Frankreich die Strafe in Deutschland verbüßen darf.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 10.11.2015
- 1 AK 111 /14 -


Anmerkungen:

  1. Bei der ETA (Abkürzung für „Euskadi Ta Askatasuna“) handelt es sich nach der Beurteilung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs um eine geheime, hierarchisch strukturierte Organisation, die mittels des bewaffneten Kampfes das Ziel der Unabhängigkeit des Baskenlandes vom Königreich Spanien verfolgt. Bei von ihrem militärischen Arm verübten Mord- und Sprengstoffanschlägen sind mehr als 800 Personen getötet worden.
  2. Nach Auskunft der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe wurde der Verfolgte am 16.11.2015 nach Frankreich überstellt. 

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