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Keine Versicherungsleistung bei unvollständigen Angaben zu Vorerkrankungen
Datum: 29.04.2005
Kurzbeschreibung:
Die Klägerin hatte mit der beklagten Versicherung einen Rentenversicherungsvertrag für den Fall der Berufsunfähigkeit abgeschlossen. Im Antragsformular gab sie bei der Frage nach ambulanten ärztlichen Behandlungen, Beratungen oder Untersuchungen in den letzten fünf Jahren nur Verspannungen im Nackenbereich an, die ausgeheilt seien. In einer Anlage führte sie verschiedene Arztbesuche wegen Vorsorgeuntersuchung an mit dem Zusatz: "Es ergaben sich keine Befunde. Die Untersuchungen waren reine Vorsorgeuntersuchungen". Nicht angegeben hat die Klägerin Behandlungen durch einen Internisten, den Hausarzt, einen Neurologen und einen Orthopäden. Bei der internistischen Untersuchung war eine leichte Aortenklappeninsuffizienz festgestellt worden, bei der hausärztlichen Untersuchung ergaben sich erhöhte Cholesterinwerte, die eine medikamentöse Behandlung erforderten. Wegen Angstzuständen nach einem Autounfall lautete die neurologische Diagnose auf psychische Belastungssituation mit phobischer Reaktionsweise. Vom Orthopäden war eine Konvergenzstörung sowie ein chronisch rezidivierendes Cervicobrachialsyndrom festgestellt worden.
Im Oktober 2002 stürzte die Klägerin auf ihrer Arbeitsstätte eine Treppe hinunter und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Seither ist sie durchgehend arbeitsunfähig.
Die beklagte Versicherung focht den Vertrag wegen arglistiger Täuschung bei Beantwortung der Gesundheitsfragen an und lehnte es ab, Leistungen zu erbringen.
Das Landgericht Mannheim hat die Klage auf Versicherungsleistungen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Die Klägerin hat vorgebracht, die nicht aufgeführten Umstände für unerheblich gehalten zu haben. Dem hat der Senat nicht geglaubt. Er gelangte zu der Überzeugung, dass die Klägerin arglistig getäuscht hat. Von einem arglistigen Verhalten ist auszugehen, wenn der Täuschende weiß und damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entsteht und dies ihn zu einer Erklärung veranlasst, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben würde. Arglist meint damit nicht nur ein Handeln, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingtem Vorsatz i.S. eines "Fürmöglichhaltens" reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sind muss. Voraussetzung ist, dass der Versicherungsnehmer mit wissentlich falschen Angaben von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeige- bzw. und offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen würde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben machte.
Der Nachweis einer Arglist bei objektiv unvollständigen Angaben im Antragsformular folgt hier nach der Überzeugung des Senats aus der Auswahl der angegebenen und verschwiegenen Tatsachen. Die Klägerin hat sich an die Untersuchungen und teils auch Behandlungen bei den Ärzten erinnert und diese bewusst verschwiegen, um den Vertragsabschluss nicht zu gefährden. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass eine Antragstellerin eine Diagnose wie die Aortenklappeninsuffizienz vergisst und eine länger andauernde Behandlung mit fünf Injektionen wegen Stressbelastung durch den Internisten aus dem Gedächtnis entschwindet, während im gleichen Zeitraum vorgenommene befundfreie Vorsorgeuntersuchungen detailgenau in Erinnerung geblieben sind. Die Klägerin hat ihre Angaben bewusst so gestaltet, dass sie nur solche Ärzte angegeben hat, bei denen eine Nachfrage des Versicherers zu einem nur positiven Ergebnis für sie geführt hätte.
Bei vollständiger Beantwortung der Fragen hätte jedoch die Beklagte den Versicherungsvertrag zumindest nicht so abgeschlossen, sondern den Abschluss von weiteren Untersuchungen abhängig gemacht und bezüglich des Herzklappenfehlers einen Ausschluss oder einen Prämienaufschlag gefordert.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 07.04.2005 - 12 U 391/04 -